Ev. St.-Georgs-Kirchengemeinde Hattingen
Ev. St.-Georgs-Kirchengemeinde Hattingen

Die Geschichte der ev. Kirchengemeinde Hattingen

Die „Evangelische Kirchengemeinde Hattingen“ im Wandel der Zeiten

Rückblick auf 100 Jahre von 1910 bis 2010 mit Schwerpunkten

Rückblicke auf hundert Jahre sind allgemein beliebt. Warum nicht auch zum Thema Kirche? Dabei wird schnell klar, dass es Evangelische Kirche in Hattingen schon wesentlicher länger gibt.

Wenn wir uns nun in das Jahr 1910 zurückversetzen, sehen wir auf dem einzigartigen Kirchplatz in Hattingen-Mitte die uralte, große Kirche mit einem schiefen Turmhelm — sie hat keinen Namen und ist teilweise noch verputzt — und die kleine Kirche im Krämersdorf, früher Kirche der zahlenmäßig kleinen Ev.- Reformierten Kirchengemeinde, die sich vor zwölf Jahren mit der größeren Evangelischen Kirchengemeinde Hattingen vereinigt hatte — auch sie hat keinen besonderen Namen.

Hattingen ist Kreisstadt und zugleich Zentralort des Ev. Kirchenkreises Hattingen, zu dem unter anderem auch die Kirchengemeinden Bommern, Herbede, Heven, Königssteele, Rüdinghausen und Wengern gehören. Seit knapp drei Jahren gibt es im Ort elektrisches Licht. Die Stadt hat rund 12 600 Einwohner. Es ist Friedenszeit.

Vier Pfarrer betreuen am 1. Januar 1910 die Gemeindeglieder in einem umfangreichen Gebiet, das neben Hattingen-Mitte und Südstadt das ländliche Holthausen, das heutige Welper, sowie Winz-Baak und die gering bewohnten, großen Bereiche Bredenscheid mit Oberstüter sowie Nierenhof mit Elfringhausen umfasst.

Es sind dies die Pfarrer August Lehmann, 45 Jahre alt, Heinrich Meier-Peter, 71 Jahre alt (kein Schreibfehler!), zugleich Superintendent im Nebenamt, Arnold Arendt, 41 Jahre alt (er reitet zu Pferd durch die Gemeinde), und Otto Smend, 68, (er geht im selben Jahr in den Ruhestand.)

Die drei erstgenannten Pfarrer wohnen in großen Pfarrhäusern (,‚Pastorat“ genannt) von hohem Alter: Emschestr. 40 (ab 1953 lange Jahre Kindergarten, inzwischen ein Teil vom „Haus der Diakonie am Stadtgraben“), Emsche 30 (seit 1985 zusammen mit dem Haus Talstr. 1 a eine Kindertagesstätte, davor u. a. vorübergehend ein sehr gemütliches CVJM­-Heim) und Kirchplatz 19 (inzwischen „Haus der Kirche“). - Pfarrer Smend wohnt in einem heute nicht mehr existierenden Haus in der (Kleinen) Oststraße 6, spätere Bezeichnung Talstraße 6.

Seit acht Jahren steht an der Bredenscheider Straße das neue Evangelische Krankenhaus mit zunächst 50 Betten. Es bestehen in Hattingen-Mitte zahlreiche kirchliche Vereine und Gruppen: Ein Ev. Arbeiter- und Bürgerverein, ein Ev. Männer- und Jünglingsverein, ein Jungfrauenverein, ein Kirchenchor, ein Zweigverein des Ev. Bundes und ein Frauenverein, ein Missions-Frauenverein, ein Gustav-Adolf-Frauenverein und ein Ev. Gesellenverein. In den Außenbezirken gibt es den Frauenverein Winz-Baak, einen Missionsverein und einen Ev. Arbeiterverein in Nieder-Stüter, dazu noch die Frauenhilfe Welper sowie Ev. Arbeitervereine in Welper, Bonsfeld und Baak. Dazu existiert seit fünf Jahren das Versammlungshaus der „Kirchlichen Gemeinschaft“ in der Schulstraße 41, wo auch der Jugendbund für Entschiedenes Christentum seinen Platz hat.

Die Zahl der Gemeindeglieder wächst, aber in den Pfarrbezirken unterschiedlich.

Der Wunsch, ein zentrales, repräsentatives Gemeindehaus in der Stadtmitte zu haben, führt im Jahr 1913 zur Fertigstellung des Hauses Bruchstr. 30 mit einem großen Saal einschließlich echter Bühne, einem weiteren großen Saal in der ersten Etage, Gaststättenbetrieb und „Hospiz“. Hier treffen sich jetzt viele der kirchlichen Vereine.

1914 bricht in Europa ein Krieg aus, der vier Jahre andauert und mit weitreichenden verheerenden Folgen endet, der wegen seines Umfangs „Weltkrieg“ (ohne Ziffer) genannt wird.

1915 wird eine 5. Pfarrstelle für den Bereich Stüter-Elfringhausen errichtet.

1924 wird das Paul-Gerhard-Haus in Welper eingeweiht, in Niederstüter kauft die Kirchengemeinde zur Durchführung von Gottesdiensten eine Gaststätte am Gedulder Weg.

Ein Jahr später wird eine 6. Pfarrstelle für den Bereich Nieder-Bonsfeld errichtet.

1926 beschließt das Presbyterium, den beiden Kirchen in der Stadtmitte Namen zu geben: Die große Kirche bekommt den Namen „St.-Georgs-Kirche“, die kleine Kirche den Namen „Johannis-Kirche“ (kein Schreibfehler!). In Holthausen findet im selben Jahr in der Behrenbeck in einer angemieteten, ehemaligen Waschkaue der „Gewerkschaft Ewald“, Zeche Blankenburg, Herbede, ein erster evangelischer Gottesdienst statt.

1929 geht der Kreis Hattingen im neuen Ennepe-Ruhr-Kreis auf, Kreisstadt wird jetzt Schwelm. 1933 verliert auch der Ev. Kirchenkreis Hattingen seine Selbstständigkeit und wird Teil des neu zusammengesetzten Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten, dessen Hauptort nun die größere Stadt Witten ist.

1934 wird mit neuem, erstarktem Nationalgefühl ein Kirchbau mit Pfarrhaus in Nierenhof (damalige Bezeichnung „Nieder-Bonsfeld-Nieder-Bredenscheid“) eingeweiht: Am Turm wird ein Hakenkreuz angebracht...

Jetzt machen wir einen großen Sprung über die Zeit des Nationalsozialismus und über die schlimmen Jahre des 2. Weltkriegs hinweg, der am 1. September 1939 begann und am 8. Mai 1945 endete und unbeschreibliches Elend und nie dagewesene Veränderungen in Europa und auf der ganzen Erde zur Folge hatte.

Von der Johannis-Kirche im Krämersdorf lassen die Bomben nur den Turm stehen, der wieder aufgebaut wird und in den Besitz der Stadt übergeht.

Infolge des Zustroms von Menschen nach dem 2. Weltkrieg in den Westen Deutschlands wurden weitere Predigtstätten als erforderlich erachtet, die zum Teil zu Neubauten führten.

Bereits im Juni 1945 wird im hinteren Teil des Saales in der ersten Etage des Gemeindehauses Bruchstraße mit der Kindergarten-Arbeit begonnen, alle Kinder sind in einem einzigen (!) Raum, „Kindergarten“ genannt, untergebracht. Der vordere Teil des Saales wird „Weißer Saal“ genannt. Erst acht Jahre später kann sich der Kindergarten mit drei Gruppen in der Emsche 40 ausgedehnter einrichten, wo es zugleich einen riesig zu nennenden Spielbereich gibt.

1949 wird im Gemeindehaus Bruchstraße ein Altenheim eingerichtet.

1952 wird eine 7. Pfarrstelle errichtet, die Gemeindegliederzahl nimmt weiter zu, 1955 ist eine 8. Stelle nötig.

In der damals stillen Waldstraße entsteht 1954 ein relativ gepflegtes Altenheim, in dem in der oberen Etage noch Krankenhaus-Schwestern wohnen.

1959 erfolgt die Auspfarrung des von der Henrichshütte geprägten Pfarrbezirks Welper zur eigenständigen Ev. Kirchengemeinde Welper. Damit hat die Muttergemeinde nur noch sieben Pfarrstellen.

Neu errichtet werden 1964: Das Wichernhaus in Bredenscheid und die Friedhofskapelle in Elfringhausen sowie die Rundkirche in Winz-Baak mit Glockenturm als Ersatz für eine hölzerne Notkirche.

1966 entsteht eine neue »Stadt Blankenstein“ mit Welper, Holthausen und Buchholz. - Die Ev. Kirchengemeinde Hattingen bekommt wieder eine 8. Pfarrstelle genehmigt.

1968 wird die Martin-Luther-Kapelle Stüter als Predigtstätte eingeweiht (inzwischen nur noch Friedhofs-Kapelle).

Wir halten inne und blicken zurück: Seit dem 1. Januar 1910 bis zum 1. Januar 1968 (!) haben 23 Pfarrer ihren teilweise sehr langen Dienst in der Kirchengemeinde Hattingen getan. Ihre Namen sind vielen Gemeindegliedern noch geläufig:

Es sind dies neben den anfangs genannten vier (Heinrich Meier-Peter, August Lehmann, Arnold Arendt, Otto Smend) noch Ernst Hafner, Paul Moeller, August Graefe (zu Baringdorf), Johannes Radicke, Rudolf Boeddinghaus, Friedrich Ebbinghaus, Oswald Schallenberg, Fritz Blesken, Johannes zur Nieden, Erwin Haag, Wilhelm Reimers, Heinrich Sander, Alfred Paschen, Bodo Hellwig, Helmut Kuhlmann, Wilhelm Vieler, Siegfried Lotze, Hans Frederking, Alfred Busch und Manfred Sorg. — Von diesen leben heute im Ruhestand nur noch Frederking, Hellwig und Sorg (zuletzt Präses der Ev. Kirche von Westfalen).

Das Datum 1. Januar 1968 ist nicht einfach willkürlich genannt worden. Es hat vielmehr für die alte „Evangelische Kirchengemeinde Hattingen“ historische Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Kirchengemeinde als ein fast unübersichtliches Gebilde mit acht Pfarrern und einzelnen, nahezu selbstständig gewordenen Pfarrbezirken wie Bredenscheid­Stüter, Nierenhof und Winz-Baak dar. Das ganze Gebiet, in dem früher vier Pfarrer wirkten, wurde von einem Presbyterium geleitet, zu dem nun acht Pfarrer sowie 22 Presbyter und Presbyterinnen gehörten: Ein sehr unterschiedlich zusammengesetztes Gremium mit komplizierten, unbefriedigenden Sitzungsabläufen, da die relativ schwach vertretenen einzelnen Bezirke inzwischen ihre eigenen Gottesdienste, Themen und Schwerpunkte hatten.

Jetzt kam nach mehrjährigen, intensiven Überlegungen das folgende Ergebris heraus: Die große 51Evangelische Kirchengemeinde Hattingen“ wird in fünf neue Kirchengemeinden aufgeteilt, die selbständig werden und eigene Presbyterien bekommen: Es sind dies die Ev. Kirchengemeinde Bredenscheid-Stüter (eine Pfarrstelle), die Ev. Kirchengemeinde Nierenhof (eine Pfarrstelle) und die Ev. Kirchengemeinde Winz-Baak (eine Pfarrstelle). Nicht nur eine innere Logik gebot, dass gleichzeitig auch die Innenstadt Hattingens mit der Südstadt (fünf Pfarrstellen) aufgeteilt werden musste, um kein zahlenmäßiges städtisches Übergewicht aufkommen zu lassen. Deshalb entstehen die Ev. St.-Georgs-Kirchengemeinde (drei Pfarrstellen) sowie die Ev. Johannes-Kirchengemeinde in der Südstadt (zwei Pfarrstellen).

Für die Finanzverwaltung sowie gemeinsame Aufgaben, wie die Verantwortung für das inzwischen 1967 völlig neue Ev. Krankenhauses, das Altenheim Martin-Luther-Haus an der Waldstraße und einige unbebaute Grundstücke wurde ein „Gesamtverband“ gebildet, in dessen Vorstand die Verbandsgemeinden nach der Pfarrstellenzahl vertreten waren. (Ein Pfarrer je Gemeinde und ein Presbyter je Pfarrstelle), und der die Kirchensteuerhoheit besaß, ehe sie sechs Jahre später den Verbandsgemeinden übertragen wurde. Weitere Einzelheiten können hier nicht ausführlicher erörtert werden.

1970 endete die kurze Selbstständigkeit der „Stadt Blankenstein“. Jetzt — also erst seit vierzig Jahren - gibt es die heutige Stadt Hattingen, die nach wie vor „wandervoll“ ist und die die Übergangs - „Stadt Blankenstein“ von 1966 mit den Kommunalgemeinden Bredenscheid­Stüter, Nieder- und Oberelfringhausen, Oberstüter und Winz einschließt.

1979 bezog die St. -Georgs-Gemeinde ihr längst nötiges Gemeindehaus — bis dahin wurde etwa der Kirchliche Unterricht in der Holschentorschule gehalten - an der neuen Augustastraße mit geräumigem CVJM-Heim. Der Kirchenkreis errichtete daneben 1983 das große „Haus der Diakonie am Stadtgraben“, in das die derzeitigen Bewohner der beiden Altenheime Bruchstraße und Waldstraße übersiedelten.

Die Johannes-Kirche in der Südstadt war 1980 in der Uhlandstraße eingeweiht worden, ohne Turm, als Ersatz für eine Holzkirche von 1966, die bei ihrer Einweihung „Johannis-Kirche“ hieß.

Das Wichernhaus wurde 1984 zur Kirche erweitert, das Gemeindehaus Winz-Baak errichtet und in Nierenhof ein großes Gemeindehaus bezogen. - Die Aufzählung der Bauten kann nicht vollzählig sein. Jedenfalls sind es erheblich viele!

1985 wurde in Holthausen auf dem Gelände einer früheren Schule in der Dorfstraße das Gemeindezentrum der St.-Georgs-Kirchengemeinde als Ersatz für die hölzerne Waschkaue von 1926 eingeweiht.

Das große Gemeindehaus an der Bruchstraße war überflüssig und wurde 1986 verkauft. Die alte Bezeichnung „Ev. Gemeindehaus“ ist aber heute noch über dem Haupteingang zu lesen.

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2010.

In vielerlei Hinsicht hat sich die gemeindliche und personelle Situation der fünf Gesamtverbands-Kirchengemeinden gegenüber 1968 erheblich geändert. Beschreiben lässt sich das im Rahmen dieser Darstellung im Einzelnen nicht. Es mag aber festgehalten werden, dass seitdem an vierzehn Stellen ein Pfarrerwechsel erfolgte. - Es begannen und hörten auf bzw. traten in den Ruhestand: Ernst Voswinkel, Gerda Budde, Matthias Weißinger, Gerhard Fues, Wilfried Ranft, Heike Rienermann, Heiner Riedesel, Christine Kowalczyk, Klaus Sombrowsky (+), Karl-Heinrich Knoch, Reinhold Hausmann, Gerhard Wagener, Andreas Detert und Uwe Crone.

Die Zahl der Gemeindeglieder hat inzwischen wieder abgenommen, die Kirchensteuereinnahmen verringern sich landauf landab weiter. Pfarrstellen werden gestrichen und Kirchengemeinden zusammengelegt.

In der Kirchengemeinde Winz-Baak (zeitweise zwei volle Pfarrstellen) und der Johannes-Kirchengemeinde (zeitweise auch zwei volle Gemeinde-Pfarrstellen) wurde je eine Pfarrstelle wieder aufgehoben. Aufgehoben wurde auch eine vorübergehend bestehende 4. Pfarrstelle der St. -Georgs-Kirchengemeinde.

Für die Hattinger Innenstadt hat sich inzwischen die Frage ergeben, ob die beiden Kirchengemeinden in Hattingen-Mitte nicht näher zueinander rücken sollten, zumal sich auf verschiedenen Gebieten eine übergemeindliche Arbeit in der Stadtmitte ergeben hat.

Die Frage der Vertretung im Vorstand des Gesamtverbandes stellt sich dann allerdings neu, vielleicht ähnlich wie vor der Teilung am 1. Januar 1968, obgleich sich inzwischen die Schwerpunkte geändert haben: Das Evangelische Krankenhaus ist mittlerweile in der Rechtsform einer „Gemeinnützigen GmbH“ in der Trägerschaft der „Ev. Stiftung Augusta“ in Bochum, und das umgebaute Altenheim Martin-Luther-Haus wird inzwischen vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Hattingen-Witten verwaltet.

Das könnte im Endergebnis dahin fuhren, dass beinahe wie vor hundert Jahren in der Stadtmitte wieder vier Pfarrer amtieren würden, nur mit wesentlich geringerer lokaler Ausdehnung und nur drei Predigtstätten.

So bleibt auch hier die Zeit nicht stehen, und es sind immer wieder Fragen offen. Aber das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen, bleibt wichtiger und schöner Dauerauftrag für alle.

Die bunten großen Fenster der alten, zentralen St.-Georgs-Kirche können dabei jederzeit helfen.

 

Frederking, Pfr. i. R.                                                                                   Mai 2010